Doris Uhlich

Doris Uhlich – Portrait
© Katarina Soskic

Statement

Meine Arbeiten sind geprägt durch die Zusammenarbeit mit Performer*innen mit unterschiedlichen Biografien. Die Projekte haben diverse Formate, sie finden auf Bühnen statt, in Museen, an spezifischen Orten und variieren sowohl in ihrer Dauer (von drei Minuten bis hin zu mehreren Stunden), als auch in der Wahl der Perspektive (von frontal bis hin zu offenen Räumen, in denen die Zuschauer*innen sich frei bewegen). In manchen Arbeiten bin ich selbst die Interpretin meiner Ideen, in manchen nicht. Es gibt Arbeiten, die sich dem Tanz verschreiben und dadurch Bewegungsrecherchen in den Vordergrund rücken, und andere, die sich an der Schnittstelle von Tanz und Performance bewegen.

Kunst

Choreografie bedeutet für mich das Körperlichwerden meines Interesses am Menschen, genauer gesagt: an den Menschen sowie den Ordnungen und Systemen, die sie bauen, bedienen, denen sie ausgesetzt sind und die sich in sie einschreiben.

Ich begreife den Körper als ein „wandelndes Körperarchiv“, in dem die eigene Biografie sowie die Biografie der Welt eingelagert werden. Für mich ist die Haut eine durchlässige Struktur, daher sind ein Innerhalb bzw. Außerhalb des Körpers zu infrage stellende Ortsbezeichnungen. Ereignisse politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Art schreiben sich ein. the body is in the world, the world is in the body. Was lagern wir ein, was lagern wir aus? Wir gehen durch die teils selbst-, teils fremdbestimmte, unendlich komplexe Choreografie unserer Biografien.

In und (2007) hat ein 88-Jähriger Performer während der Probe gesagt: „Ich bin heute alles. Ich bin der 8-Jährige, ich bin der 20-Jährige, ich bin der 88-Jährige. Alles fällt im Jetzt zusammen.“ Die komplexe Verwebung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Körper beschäftigt mich seither.

Auch der Raum ist ein Körper mit Einlagerungen. Im Raum, der den Körper umgibt, sitzt, steht, fliegt, ruht, pulsiert die Gegenwart samt ihrer Vergangenheit und Projektion der Zukunft. Ich suche nach physischen Ventilen, um die komplexe Gegenwart als einen beweglichen Körper zu begreifen, den ich mitgestalten kann.

Sound und Musik sind Klangkörper, die sich in den Luftmolekülen einlagern, sich ausbreiten. Sound kann man schwer aufhalten, er weitet sich aus, soweit seine Schallwellen sich ausbreiten. Im Theater bedeutet das, dass er keine Grenze zieht zwischen Bühne und Zuschauerraum. Er kann die beiden Räume verbinden. In der Beschäftigung mit elektronischer Musik, die von Kraftwerk „electronic body music“ genannt wurde, um die körperliche Wirkung elektronischer Sounds zu beschreiben, interessiert mich die Vielfältigkeit der Sounds, ihr Energievolumen und die Möglichkeit, dass man Sounds unendlich lange mischen kann.

Bewegung hat das Potenzial, seismisch zu sein. Sie kann sich ausbreiten und in ihrer Energie ansteckend sein. i body you, you body me.

Jeder Mensch kann tanzen. Tanz soll keinen normativen Regeln, keinen Reglementierungen, keinen Dogmen und keiner Notwendigkeit konformer Körper unterworfen sein. Ich glaube an die emanzipatorische Kraft von Tanz, an tänzerische Emanzipation, die für jeden zugänglich ist. Bühne soll eine offene Welt sein, in der unterschiedliche Menschen existieren.

Das Leben ist kein Solo, das Leben ist ein Ensemblewerk. Ich forsche nach einem Teilen, Übertragen und Transformieren von Energien und suche nach Fragestellungen, die sowohl ein solistisches als auch gemeinschaftliches Öffnen bzw. Weichwerden von festgefahrenen Anschauungen und Ansichten ermöglichen.

Pädagogik

Für mich bilden Pädagogik und Kunst ein Netzwerk, das aus unterschiedlichen (tanz)biografischen und gesellschaftlichen Begegnungen verflochten ist. Meine künstlerischen Ansätze übersetze ich gezielt für Menschen mit und ohne Tanzerfahrung, von Laien bis professionelle Tänzer*innen. Im Unterricht versuche ich angstfreie Räume zu schaffen. Wenn die Energie einer Bewegung wichtiger wird als ihre Form, erfährt man am ehesten, welche Motoren in den Körperzellen darauf warten, gestartet zu werden.